Briefing aus Bern

Mehr Geld für die Luftwaffe, weniger für die armen Kantone

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (3).

Von Ihrem Expeditionsteam, 15.03.2018

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Volk soll über Luftsicherheit bestimmen dürfen

Das müssen Sie wissen: Die Schweizer Luftwaffe ist veraltet. 2030 erreichen die Kampfflugzeuge des Typs F/A-18 das Ende ihrer Nutzungsdauer, und die Tiger F-5 sind heute nur noch tagsüber und bei guten Sichtverhältnissen einsetzbar. Im vergangenen Herbst hat der Bundesrat deshalb in einem Grundsatzentscheid beschlossen, die militärischen Mittel für den Schutz des Luftraums zu erneuern. Für die Finanzierung des Beschaffungsprojekts «Air2030» plant der Bund acht Milliarden Franken ein.

So will der Bundesrat vorgehen: Am letzten Freitag teilte der Bundesrat mit, dass er die Erneuerungen zum Schutz des Luftraums als «Planungsbeschluss von grosser Tragweite» dem Parlament vorlegen will – ein Novum in der Schweizer Geschichte. Damit will die Regierung ihre sicherheitspolitischen Ziele bestätigen lassen und eine Volksabstimmung ermöglichen. Stimmt die Bundesversammlung dem Beschluss aus dem Verteidigungsdepartement zu, unterliegt das Geschäft dem fakultativen Referendum. Das heisst: Fordern genügend Bürger eine Abstimmung, entscheidet das Volk über die Zukunft der Luftsicherheit. Die GSoA (Gruppe Schweiz ohne Armee) hat bereits angekündigt, dass sie das Referendum ergreifen wird.

Das ist die Strategie dahinter: Kommt der Planungsbeschluss vors Volk, wird es laut Bundesrat Guy Parmelin (SVP) über eine Grundsatzfrage befinden: «Wollen wir unsere Bevölkerung weiterhin gegen Bedrohungen aus der Luft schützen?» Stimmt das Volk der Absichtserklärung zu, kann sich Parmelin der Aufrüstung mit dem demokratischen Segen widmen. Er müsste keine öffentliche Debatte über die konkreten Details der Beschaffung führen. Damit will er wohl die Wiederholung des Gripen-Debakels von 2014 verhindern. Damals lehnte die Stimmbevölkerung den Kauf von schwedischen Kampfjets ab.

Die linken Parteien und einzelne Parlamentarier der FDP kritisieren das Vorgehen des Bundesrats. Sie fordern eine Volksabstimmung über ein fertiges Beschaffungsprojekt – mit der genauen Anzahl und dem Flugzeugmodell.


Weniger Gelder für arme Kantone

Das müssen Sie wissen: Der nationale Finanzausgleich subventioniert finanzschwache Kantone. Er vermindert so kantonale Unterschiede und garantiert ein Existenzminimum. Den Finanzausgleich bezahlen sieben reiche Geberkantone und der Bund. Ihr Ziel: Der ärmste Kanton soll mit der Unterstützung ein finanzielles Niveau von 85 Prozent des Durchschnitts erreichen. Ohne diesen Zuschuss kämen Kantone wie der Jura oder das Wallis nur auf 65 bis 70 Prozent. Heute entscheidet das Parlament alle vier Jahre über die Grundbeiträge. Es muss sich dabei nach dem gesetzlichen Ziel richten, welches eine Mindestausstattung von 85 Prozent vorsieht. Am letzten Freitag hat der Bundesrat nun bekannt gegeben, wie er den Finanzausgleich weiterentwickeln will.

Das ist neu: Der ärmste Kanton soll neu mit den Geldern aus dem Finanzausgleich mindestens ein Niveau von 86,5 Prozent des Durchschnitts erreichen – eine Erhöhung um 1,5 Prozent.

Das ist eine scheinbar gute Nachricht für die finanzschwachen Kantone. Doch der Eindruck täuscht. Die im Parlament überlegenen Nehmerkantone konnten in den letzten Jahren die Entwicklung der Beitragshöhen bestimmen. Deshalb bezahlten die Geberkantone und der Bund weit mehr Geld ein, als ursprünglich gedacht. Der Jura als ärmster Kanton erhält mittlerweile so viel Geld, dass er 2018 nach dem Ausgleich eine Ausstattung von 88,3 Prozent erreicht. Mit der neu vorgeschlagenen Regelung wird das Volumen der Beiträge durch die vorgegebene Zielgrösse von 86,5 Prozent fixiert. Der parlamentarische Einfluss auf die Beitragshöhe und die allvierjährlichen Grundsatzdiskussionen im Parlament würden auf diese Weise unterbunden – eine Entpolitisierung. Die Nehmerkantone erhalten künftig auf dem Papier mehr, faktisch aber weniger Geld.

Das Geschäft geht nun in die Vernehmlassung, in der sich Kantone, Parteien und diverse Organisationen zum Vorschlag äussern können. Später wird es dann im Parlament behandelt.

Sie wollen noch mehr wissen: Der nationale Finanzausgleich ist ein kompliziertes System. Wenn Ihnen der Durchblick fehlt, empfehlen wir die Erklärung des Finanzdepartements für Anfänger.


Gesetzliche Grundlage zur Observation von Versicherten

Das müssen Sie wissen: 2006 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass der Schweiz eine gesetzliche Grundlage für die verdeckte Überwachung von Versicherten fehlt. Die Sozialversicherungen mussten infolgedessen ihre Observationen einstellen. Kurz darauf hat die ständerätliche Sozialkommission eine neue gesetzliche Grundlage ausgearbeitet, um die verdeckte Missbrauchsbekämpfung wieder zu ermöglichen. Wie bereits der Ständerat in der Wintersession hat der Nationalrat die Vorlage nun am Montag abgesegnet.

Darum ist das wichtig: Die neue gesetzliche Grundlage greift tief. Laut dem Gesetzestext dürfen Sozialdetektive künftig verdächtige Invalidenrentner und Unfallversicherte mit Bild, Ton und Peilsendern überwachen. Eine richterliche Genehmigung braucht es alleine für den Einsatz von GPS-Trackern. Die neue Regelung lässt auch die Observation von allgemein einsehbaren Orten wie Balkonen oder Gärten zu. Damit gibt die Vorlage den Sozialdetektiven mehr Kompetenzen als der Polizei. Verschiedene Juristen und die linken Ratsminderheiten kritisieren das Gesetz: Es ritze das Grundrecht auf Privatsphäre und setze keine Schranken.

So berichtete die Republik: Carlos Hanimann und Elia Blülle sprachen mit einer betroffenen Frau, die zu Unrecht von Sozialdetektiven überwacht worden ist, und analysieren die Entstehung des neuen Gesetzes. Den Text finden Sie hier.


Die Selbstbestimmungsinitiative im Ständerat

Das müssen Sie wissen: Die SVP will mit ihrer Volksinitiative festlegen, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht Vorrang hat. Nur zwingende Bestimmungen wie das Folterverbot hätten weiterhin Vorrang. Das Begehren verlangt zudem, dass völkerrechtliche Verträge, die der Verfassung widersprechen, neu verhandelt und nötigenfalls gekündigt werden müssten.

Das sagt der Ständerat: Abgelehnt. Mit 36 zu 6 Stimmen folgte der Ständerat am Dienstag der Empfehlung des Bundesrates. Die Initiative sei ein Angriff auf die Grundlagen des Staates und stelle das Völkerrecht infrage, monierten die Gegner. Ein Gegenentwurf aus den Reihen der FDP und CVP blieb ebenfalls chancenlos.

Das passiert als Nächstes: Der Nationalrat kommt als nächster Rat zum Zug. Lehnt er die Initiative wie bereits die kleine Kammer ohne Gegenentwurf ab, wird sie bald vors Volk kommen.


Informationssicherheit zu teuer für den Nationalrat

Das müssen Sie wissen: Der Bundesrat will Computersysteme in der Bundesverwaltung besser vor Angriffen und Missbrauch schützen. Mit einem Gesetz sollen Mindeststandards für den Umgang mit Informationen geschaffen werden. Davon betroffen wären zum Beispiel auch die Nationalbank oder das Bundesgericht. Das ist wichtig, weil es in jüngster Vergangenheit immer wieder zu Angriffen auf die Systeme des Bundes gekommen ist. Der Ständerat akzeptierte in der Wintersession die Vorlage des Bundes ohne Gegenstimme. Ganz anders verlief die Debatte im Nationalrat. Er hat am Dienstag das Gesetz ohne Detailberatung zurückgewiesen.

Das ist die Begründung: Die SVP bezweifelt die Wirksamkeit des Gesetzes. Es führe zu mehr Bürokratie und bringe nichts. Der Cyberangriff auf das Netzwerk der deutschen Regierung, die solche gesetzliche Mindeststandards kennt, habe das deutlich gezeigt. Gekippt ist auch die FDP und CVP. Sie bemängeln, dass mit dem Gesetz ein zu grosser und komplexer Apparat aufgebaut würde. Das sei zu teuer.

Das passiert als Nächstes: Nachdem der Nationalrat nicht auf das Gesetz eingetreten ist, geht es zurück an den Ständerat. Der muss nun die Kritik aus dem Nationalrat aufnehmen und die Vorlage noch einmal beraten.

Das schreiben andere: NZZ-Bundeshausredaktor Lukas Mäder analysiert in einem empfehlenswerten Artikel das Vorgehen des Nationalrates. Er zeigt auf, wie sich das Parlament einer inhaltlichen Diskussion über die Sicherheitsaspekte der Vorlage verweigert.


Frauen in den Bundesrat

Das müssen Sie wissen: Im Moment sitzen im Bundesrat fünf Männer und zwei Frauen. Seit der Einführung des Frauenstimmrechts waren erst sieben Frauen in der Regierung vertreten. Der Ständerat reagiert nun auf dieses Missverhältnis. Am Mittwoch beschloss er eine weiche Frauenquote für die Bundesbehörden.

Das heisst: Die Bundesverfassung schreibt die angemessene Vertretung der Regionen und Sprachräume im Bundesrat vor. Neu sollen nun auch in der Verfassung die ausgewogene Vertretung der Geschlechter berücksichtigt werden. Die Befürworter argumentierten, dass mit dieser Ergänzung die Konkordanz vervollständigt werde. Die Quote ist deshalb weich, weil sie zahlenmässig nicht vorschreibt, wie viele Männer oder Frauen vertreten sein sollten. Die parlamentarische Initiative von Raphaël Comte (FDP) wurde von einer knappen Mehrheit angenommen und wird als Nächstes im Nationalrat behandelt.