Die dümmste Steuersenkung aller Zeiten
In den USA haben Präsident Trump und der von Republikanern dominierte Kongress die grösste Steuerreform seit drei Jahrzehnten verabschiedet. Sie könnten damit die Saat für die nächste Rezession gelegt haben. Ein Kommentar.
Von Mark Dittli, 20.02.2018
Am 22. Dezember 2017 unterschrieb Donald Trump den «Tax Cuts and Jobs Act», die grösste Steuerreform der USA seit drei Jahrzehnten. Die Vorlage senkt unter anderem die Unternehmensgewinnsteuern von 35 auf 21 Prozent.
Die Reform ist der grösste – und einzige nennenswerte – legislative Erfolg von Trump in seinem ersten Amtsjahr. Man hat schon ziemlich alles dazu gelesen: Die Steuersenkung ist in erster Linie ein Geschenk der Republikanischen Partei an ihre wichtigsten Spender – an «Corporate America» und die Reichsten im Land. Sie wird die ohnehin schon grosse Ungleichheit in der Bevölkerung noch mehr vergrössern.
Diese Kritik trifft grösstenteils zu. Doch auch wer alle gesellschaftspolitischen Überlegungen ausblendet und eine rein ökonomische Perspektive einnimmt, muss zum Schluss kommen: Die trumpsche Steuerreform ist unsinnig. Sie führt der amerikanischen Volkswirtschaft einen Stimulus zu, den diese im aktuellen Umfeld nicht benötigt.
Im besten Fall führt die Steuersenkung zu einem Strohfeuer; im schlechteren Fall zu einer neuen Rezession. Den Finanzmärkten scheint diese Erkenntnis allmählich zu dämmern. Die Turbulenzen, die die Börsen in der ersten Februarhälfte heimgesucht haben, liefern ein erstes Signal dafür.
Republikaner im Defizitrausch
Die amerikanische Volkswirtschaft beendete ihre letzte Rezession im Juni 2009. Der Aufschwung steht nun bereits in seinem neunten Jahr. Das Bruttoinlandprodukt wächst mit einer Rate von etwas weniger als 3 Prozent, die offiziell ausgewiesene Arbeitslosenrate liegt mit 4,1 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 17 Jahren. Die konjunkturellen Vorlaufindikatoren, beispielsweise die monatlichen Umfragen unter Einkaufsmanagern, stehen allesamt auf Grün.
Simpel gesagt: Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten brummt, es herrscht ökonomisch betrachtet weitgehend Vollbeschäftigung.
Das wäre eigentlich die Zeit für einen ausgeglichenen Staatshaushalt und für eine Stabilisierung oder sogar Senkung der Staatsschulden. Ganz nach John Maynard Keynes, der schon 1937 schrieb: «The boom, not the slump, is the right time for austerity.»
Doch der republikanisch dominierte Kongress hat Anfang Februar ein Budget für die nächsten zwei Jahre verabschiedet, das sogar mit überaus optimistischen Wachstumsprognosen das Haushaltsdefizit der USA in die Höhe schiessen lässt: 2019 soll es 1200 Milliarden Dollar betragen.
Dieselben Republikaner, die Präsident Barack Obama im Nachgang der grossen Rezession von 2008 und 2009 die Mittel für Massnahmen zur Stützung der Konjunktur verweigerten, lassen nun also plötzlich Defizite zu, als gäbe es kein Morgen.
Doch wird eine bereits an der Kapazitätsgrenze operierende Volkswirtschaft weiter stimuliert, droht eine Überhitzung. Und genau ein derartiges Signal erreichte die Finanzmärkte am 2. Februar 2018.
Höhere Inflation, höhere Zinsen
Jeden ersten Freitag im Monat publiziert das U.S. Bureau of Labor Statistics seinen Arbeitsmarktbericht. Die letzte Veröffentlichung an ebendiesem 2. Februar zeigte erstmals einen überraschend deutlichen Anstieg der Lohnkosten im Land. Ein Schock für die Märkte; innerhalb von zwei Wochen büssten die Börsen in New York mehr als 10 Prozent ein.
Investoren in aller Welt warten jetzt gespannt auf den nächsten Arbeitsmarktbericht vom 2. März. Werden die Lohnkosten weiter gestiegen sein? Die Zeichen deuten darauf hin. In einer Erhebung des Verbandes für kleine und mittelgrosse Unternehmen sagten im Januar fast 25 Prozent der Befragten, dass sie in den kommenden Monaten die Löhne ihrer Angestellten erhöhen würden. Das ist der höchste Wert seit fast dreissig Jahren.
Nach Jahren mit blutleerem Wirtschaftswachstum, hoher Arbeitslosigkeit, null Teuerung und zahlreichen Fehlstarts könnte es nun tatsächlich so weit sein: Die Inflation in den USA zieht an – getrieben von den Löhnen.
Höhere Inflation bedeutet höhere Zinsen. Und genau diese Erwartung signalisieren die Bondmärkte: Das Renditeniveau zehnjähriger US-Staatsanleihen ist seit Oktober von 2,1 auf über 2,9 Prozent gestiegen.
Das ist zwar noch ein moderates Niveau – die offizielle Inflationsrate in den USA bewegt sich derzeit um 2,1 Prozent –, doch die Bewegung genügte bereits, um die Aktienmärkte einbrechen zu lassen. Und wenn sich der Trend der steigenden Teuerungsraten und Zinsen fortsetzt, dann wird das nicht die letzte Panikwelle an den Börsen gewesen sein.
Jerome Powell, der von Trump eingesetzte neue Vorsitzende der US-Notenbank Fed, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Angesichts der Daten vom Arbeitsmarkt, der Inflationszahlen und des Zinsanstiegs am Bondmarkt müsste die Notenbank die kurzfristigen Leitzinsen zügig weiter erhöhen.
Powell könnte nun allerdings versucht sein, damit noch zu warten, um die fragilen Börsen nicht noch mehr zu verunsichern. Sollte die Fed-Spitze an ihrer nächsten Sitzung am 20. März beschliessen, die Zinsen noch nicht zu erhöhen, würde jedoch aller Voraussicht nach der Dollar sinken, was die Inflation in den USA wegen höherer Importpreise noch weiter in die Höhe triebe.
It’s the economy, stupid!
«It’s the economy, stupid!», lautete die Maxime von James Carville, dem Kampagnenmanager von Bill Clinton im Jahr 1992. Im nächsten Präsidentschaftswahlkampf von 2019 und 2020 könnte das wieder der Fall sein.
Hier ein plausibles Szenario: Die Steuersenkung des Präsidenten wird in der Wirtschaft der USA ein «sugar high» auslösen, einen Zuckerschub, der die Inflationsraten und damit die langfristigen Zinsen in die Höhe treibt. Die Notenbank unter Powell wird gezwungen sein, die Geldpolitik weiter zu drosseln und die Leitzinsen zu erhöhen.
Das explodierende Haushaltsdefizit zwingt das Schatzamt derweil, deutlich mehr neue Anleihen auszugeben – just zu dem Zeitpunkt, in dem ausländische Käufer wie die Zentralbanken Chinas, Japans und Europas ihren Appetit auf amerikanische Staatsanleihen verlieren. Das Resultat: weiter steigende Zinsen in den USA.
Dieser Mix aus steigender Inflation, steigenden Zinsen und geldpolitischem Bremsmanöver wird irgendwann in den Jahren 2019 oder 2020 eine neue Rezession in den USA auslösen. Und die Aktienmärkte vollends einbrechen lassen. Und das alles just in der Zeit, in der sich Donald Trump für seine zweite Amtsperiode zur Wahl stellt.
Es wäre ein politisches Grab, das sich Trump selbst geschaufelt hat. Am 22. Dezember 2017, mit der Unterzeichnung der dümmsten Steuersenkung aller Zeiten.