Sie, wir und unser gemeinsames Unternehmen
Wir versprachen Ihnen, Sie als Verlegerin oder Verleger über den Zustand und die Entscheidungen von Redaktion und Verlag zu informieren. Und auf Sie in der Verlagsetage zu hören. Hier unser erster Versuch.
Von Ihrem Expeditionsteam, 12.02.2018
Sehr geehrte Frau Verlegerin
Sehr geehrter Herr Verleger
In unserem letzten Brief Anfang Dezember versprachen wir Ihnen, die Republik nach dem Motto zu entwickeln, das sich der Tennisprofi Stan Wawrinka auf den Unterarm tätowieren liess:
«Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.»Samuel Beckett, zitiert vom Tätowierer von Stan Wawrinka
Vermutlich werden Sie damals mindestens eine Ihrer Augenbrauen gehoben haben. Und sich gedacht haben, dass es ein zweifelhaftes Glück ist, wenn das Personal der Chefetage kurz vor dem Start als Firmenmotto vorschlägt: «Versucht. Gescheitert. Egal. Erneut versuchen. Erneut scheitern. Besser scheitern.»
Andererseits hat dieses Motto den Vorzug, brauchbar zu sein. Schon weil im Journalismus das Beste, was sich erreichen lässt, der neueste Stand des Irrtums ist.
Kurz: Unser Ziel ist nicht Perfektion, sondern Perfektionierbarkeit. Deshalb sind wir auf Ihre Ideen, Ihre Vorschläge, Ihre Kritik angewiesen.
Und Sie haben uns nicht im Stich gelassen. Nach unserer ersten Runde nach dem Start standen in diesem Debattenforum exakt 1108 Beiträge. Das hat uns gefreut, geholfen und überwältigt.
Wir haben einige Zeit gebraucht, alles aufzuarbeiten. Nun ist Zeit für eine erste Bilanz.
Was funktionierte
Was klappte? Um aufrichtig zu sein: alles Mögliche nicht. Aber weit mehr, als wir dachten. Denn am Sonntag, 14. Januar, startete die Republik, wie man eigentlich sonst nur ein Ziel erreicht: mit zerfetzten Segeln.
Die letzten Artikel wurden in der Nacht zuvor korrigiert, das Debattentool war erst drei Stunden davor zu Ende programmiert worden, eine Agentur hatte die Zuckerberg-Fotos nicht freigegeben, wir brauchten Ersatz. Und niemand der Verantwortlichen hatte in der Woche davor nur halb geschlafen.
Wir waren unverschämt spät. Und hatten unverschämtes Glück. Erstens, weil nichts krachte. Und zweitens, weil die wichtigsten Wetten aufgingen, auf die das Republik-Projekt gesetzt hatte.
• Die Panoramaartikel: Eine Wette war, dass die Leute das lesen, was sie interessiert – egal, in welcher Länge. Teils waren die Startartikel so ausschweifend, dass man allen, die sie beendeten, eine Medaille hätte verleihen müssen. Aber gelesen wurden sie: trotzdem oder deswegen.
• Der 7-Uhr-Newsletter: Nun, niemand hätte es Ihnen übel genommen, wenn Sie nach dem langen Jahr des Aufbaus mit den noch längeren Newslettern den Teufel getan hätten, das Ding zu öffnen. Die Hälfte findet jeden Morgen dazu den Mut.
• Die Verlagsentwicklung: Seit dem Start unterschrieben mehr als 3000 Verlegerinnen und Verleger bei der Republik. Im Moment hat jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter der Republik über 19’000 Chefs. Das ist cool. Denn der Plan der Republik ist nicht nur, ein Magazin zu etablieren, sondern auch ein Geschäftsmodell. (Allerdings: Etabliert ist damit noch nichts. Erstens braucht die Republik 25’000 Verlegerinnen und Verleger. Zweitens ist der echte Moment der Wahrheit der 15. Januar 2019: dann, wenn erneuert wird. An diesem Punkt brachen bei ähnlichen Projekten 40 bis 70 Prozent des Publikums weg. Ob wir überzeugender sind, weiss niemand.)
• Die Debatten: Sie haben uns verblüfft. Wir hätten nie erwartet, dass Sie vom Start an so leidenschaftlich mitdebattieren, so höflich, so zur Sache, so erschreckend kenntnisreich. Davor dachten wir, dass der Slogan «38’000 Augen sehen mehr als 2» ein guter Slogan ist. Jetzt wissen wir, dass er stimmt. Merci!
Kurz, die wichtigsten Elemente der Republik haben – gegen alle Erwartung – beim Start alle funktioniert: die Programmarchitektur, das Kernprodukt, der Informationskanal, das Finanzielle, das Interaktive. Und das, obwohl wir nur mit dem Nötigsten starteten.
Kurz: Wir sind erleichtert. Aber erst am Anfang.
Was erst halb funktionierte
Wir hatten viel versprochen, uns noch mehr vorgenommen – kein Wunder, gingen wir nicht ohne Furcht an den Start.
In einer Sitzung, in der die Redaktion die ersten drei Wochen besprach, war sie sich erstaunlich einig. Saubere Arbeit, wir haben überlebt – aber perfekt war der Job noch nicht. Was ändern? Wir kamen auf Folgendes:
• Die Länge: Nichts gegen ein hartes Lesestück – aber ein wenig übertrieben haben wir schon. Wir sollten nicht jeden Morgen bis zu drei Artikel bringen, die das Frühstück zum Mittagessen machen.
• Die Schwere: Auch hier haben wir übertrieben. Und die Welt ein wenig oft in aller Breite erklärt.
• Die Solidität: Gewagt haben wir auch noch nicht so viel, wie wir wollten – nicht in den Formen, nicht in den Standpunkten, nicht an Frechheit.
Kurz: Wir haben uns darauf konzentriert, die noch unerprobte Maschine anzuwerfen, ohne in die Luft zu fliegen. Was wir in den nächsten Wochen erreichen wollen, ist zwar nichts komplett anderes. Aber wir wollen die Mischung deutlich ergänzen:
• Mehr Aktualität – und ein bisschen weniger Ewigkeit.
• Mehr rausgehen – im Journalismus gibt es zwei Perspektiven, die Neues liefern: der nahe Blick auf das rohe Fleisch der Wirklichkeit und der distanzierte Blick vom Mars. Wir sollten öfter näher ran.
• Mehr Wärme, mehr Alltag: Nicht nur Politik, Wirtschaft und das Internet zählen. Das Leben ist das einzige Abenteuer, das wir je bekommen werden.
• Mehr Kurzes, mehr Leichtes: Kein vernünftiger Mensch ernährt sich ausschliesslich von Walen und Elefanten.
• Mehr Kräfte in die Produktion: Wir haben die Komplexität der Höllenmaschine unterschätzt, die wir bauten. Die Produktion mit allen Korrekturen, Feinschliff, Faktencheck ist aufwendiger. Wir werden hier ausbauen, sodass alle mehr Zeit zum Denken haben. Oder zum Schlafen.
Kurz, es ist Zeit, den Überlebensmodus zu verlassen und sich zu entspannen: um entschiedener, kontroverser, verspielter, gelassener zu werden.
Ganz schaffen werden wir das nie. Aber versuchen werden wir es doch. Und geschafft haben wir schon Ansätze: verdeckte Recherche im Dopingteil, zusammenfassende Aktualität im Fall des SDA-Streiks, Humor bei Globi am WEF oder beim Experten an der Börse, kurze Stücke wie im Fall der sich zankenden Pressesprecher des Bischofs von Chur, dann eine Polemik (gegen Altfürsten), etwas persönlich Mutiges wie die Ehrlichkeit der Reporterinnen zu ihrem Streit in den USA.
Wir sollten es also schaffen können. Und damit zu der Auflistung dessen, was wir in den nächsten Wochen zu tun haben, was wir erst später tun werden, was bereits getan ist.
Die To-do-Liste
Hier folgt eine Liste, fast so lang wie Stan Wawrinkas Unterarm, mit Ihren Vorschlägen, die Sie uns nicht mehr hinter die Ohren schreiben müssen. Denn wir sind einverstanden.
• Mehr Bundeshaus: Wir werden mehr Schweizer Politik beschreiben. Aber mit voller Kraft werden wir erst in der zweiten Jahreshälfte fahren: Unser Bundeshauskorrespondent Viktor Parma kommt erst im Frühling an Bord, der Bundeshausredaktor Urs Bruderer erst Anfang Sommer.
• Mehr kurze, mehr leichte Artikel: Diese erscheinen seit letzter Woche. Damit wir nicht nur Steaks liefern, sondern auch Dessert. (In der Natur gibt es ja auch nicht nur Elefanten, sondern auch kleinere Lebewesen, die ein Recht auf ein Dasein haben – beispielsweise Hamster.)
• Podcasts: Die Technik ist gekauft und installiert, der erste Podcast (das Making-of zur Dopingrecherche) publiziert. In den nächsten Wochen werden wir ausbauen.
• Debatte I: Wir planen, zu Debatten in Zukunft nicht nur unsere Autoren mit Ihnen debattieren zu lassen, sondern auch Expertinnen und Experten. Das passiert, sobald wir ein wenig den Rücken frei haben.
• Debatte II: An technischen Verbesserungen planen wir etwa eine Benachrichtigung, wenn jemand auf einen Ihrer Debattenbeiträge geantwortet hat. Plus einfügbare Links. Und mehr Sortierungsmöglichkeiten. Sowie eine verbesserte Dramaturgie. Ersteres ist eine Frage von Wochen, das Letzte wird wohl für Jahre immer wieder neu überdacht und überarbeitet werden.
• Elegante PDFs: Zwar lassen sich die Artikel der Republik ausdrucken, aber noch ärgerlich papierfressend. Eigentlich wollten wir eine smarte Druckfunktion schon zum Start – aber deren Programmierung ist verblüffend komplex. Im Moment streiten sich innerhalb der IT und der Designabteilung noch zwei Fraktionen um die Philosophie: Wollen wir ein anständig aussehendes Standarddruckformat – oder ein eigens designtes, nach Buchdruck aussehendes? Die Sache sollte bald geregelt sein.
• Suche: Mit einem Magazin geht es einem wie mit einem Hotelzimmer. Es ist erstaunlich, wie kurz nach dem Bezug sich die Dinge überall verstreut haben. Wir sind gerade am Installieren einer High-End-Suchmaschine. Dazu müssen wir allerdings Teile unseres bisherigen Programms umbauen. Noch etwas Geduld!
Geplant, aber um den Sommer herum
Hier drei so dringende wie vernünftige Vorschläge von Ihnen, für die wir noch etwas Zeit brauchen. Wir rechnen mit dem Einbau irgendwann von Anfang Sommer bis Anfang Herbst.
• Experimente mit Video: Sie kommen, aber noch nicht sofort.
• Die Republik-App: Brauchen wir, zugegeben. Machen wir.
• Datenjournalismus: der souveräne Sieger bei der Abstimmung unter den Verlegerinnen und Verlegern während des Crowdfundings. Unser Problem damit, ihn sofort umzusetzen, besteht darin, dass der IT-Teil der Redaktion noch voll mit der Verbesserung des Systems beschäftigt ist.
(Sie können diesen Prozess übrigens beschleunigen. Sollten Sie eine kaltblütige Webprogrammiererin kennen, die bei uns anheuern will oder sollten Sie selbst ein solcher sein: Wir haben zwei Stellen frei.)
Gemacht, sobald Klarheit
Vier Probleme, die weniger Programmieraufwand brauchen als Genauigkeit im Kopf und im Konzept.
• Das Lesezeichen: Einige der Artikel der Republik haben einige der Verlegerinnen und Verleger der Republik durch ihre Länge das Fürchten gelehrt. Die Platzierung eines Lesezeichens wäre nicht die dümmste Idee.
• Längenangabe von Artikeln: als Mittel gegen obige Furcht. Wir sind noch am Überlegen, ob wir das machen. Und wenn ja, wie: mit Zeitangabe, Balken oder Symbol.
• Mehr typografische Möglichkeiten: Kursivschrift. Kapitälchen. Durchgestrichene Schrift. Raffiniertere Kästchen. Bildergalerien. All das ist Gegenstand harter Debatten. In der Redaktion selbst. Wie auch mit den strengen Ästheten unserer Designagentur.
• Bessere Orientierung: Wir arbeiten dran. (Wahrscheinlich bis zum letzten Tag unserer Existenz.) Seit einigen Tagen gibt es eine Übersichtsseite zu Kolumnen, Unternehmensnachrichten, Debatten, Kleinzeug.
Was erledigt ist
Eigentlich wäre unser Ziel, dass nur noch diese Liste existiert – aber träum weiter, Junge. Hier ein Auszug:
• Erscheinungszeit: Der 7-Uhr-Newsletter erscheint seit der zweiten Woche bereits um 5 Uhr. Für alle, die dann aufstehen.
• Der Audioplayer ist installiert: für Podcasts.
• Zeilenschaltung im Debattentool: damit Ihre Argumente nicht mehr an einem Stück zusammenkleben müssen.
• Schlankere Daten: Die Republik frisst nicht mehr sinnlos Ihr Datenvolumen und lädt schneller. Hierzu ein Tweetwechsel unseres Front-End-Programmierers Thomas Preusse:
Die Republik sieht zwar schlank aus, saugt aber ganz schön am Datenvolumen. Medienportale (Mobile-Version) im Vergleich, Stand 16.1. um 14.47 Uhr: 🥇 @RepublikMagazin: 8.5 MB 🥈 @tagesanzeiger: 7.1 MB 🥉 @Blickch: 1.7 MB 🏅 @watson_news: 1 MB 🏅 @20min: 810 KB
Wir haben den Spiess mal umgedreht. @ben_ruegg danke fürs Feedback. Medienportale (Mobile-Version) im Vergleich, Stand 26.1. um 14.00 Uhr: 🥇 @RepublikMagazin: 623KB 🥈 @20min: 1.3MB 🥉 @watson_news: 1.5MB 🏅 @Blickch: 1.9MB 🏅 @tagesanzeiger: 5.7MB t.co/5Sf5cD54Wk
• 1000 Minidinge: Die ersten Charts +++ Bequemeres Zurückkommen am Ende des Artikels ohne Scrollen +++ Das Fixen unseres bescheidenen Milleniumbugs: Als die Auftaktseite zum 100. Mal erneuert wurde, lief nichts mehr +++ Das Dominic-Nahr-Video ist nun scrollbar +++ Dutzende Abstände bei Kästchen, Bildern etc. sind nun ästhetisch verbessert +++ Die Teaser-Bilder auf Facebook und Twitter laufen +++ Die Newsletter-Seite funktioniert +++ Das Einloggen läuft runder +++ und Ähnliches.
So weit unsere Bilanz der ersten drei Wochen. Wir hoffen, dass Sie in der Verlagsetage damit zufrieden sind. Aber wir erhoffen es keineswegs. Wir brauchen Grossherzigkeit, aber auch Ehrgeiz von Ihnen.
Haben Sie also weitere Ideen, Vorschläge, Kritik – dann schreiben Sie uns eine Notiz (oder Abhandlung) hier in das Entwicklungslabor.
Wir danken Ihnen für Ihre Freundlichkeit, Ihre Geduld, Ihre Kritik und Ihre Zeit
Ihre Crew von Project R und der Republik