Krieg gegen Kurden, Ringen ums US-Budget – und ein Warnstreik
Woche 4/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ihrem Expeditionsteam, 26.01.2018
Hier eine Auswahl der wichtigsten Themen der vergangenen Woche:
USA verkünden «Shutdown» – und heben ihn wieder auf
Darum gehts: Am vergangenen Samstag wurde die amerikanische Regierung stillgelegt – weil sich Demokraten und Republikaner bis Freitag nicht auf ein gemeinsames Budget einigen konnten. Der Stillstand dauerte siebzig Stunden – dann einigte man sich auf eine Übergangslösung.
Warum das wichtig ist: Mehr als 850’000 Angestellte waren vom «Shutdown» betroffen. Sie wurden dazu aufgerufen, nicht zur Arbeit zu erscheinen – auch ihre Gehaltszahlungen wurden ausgesetzt. Der Grund für den Stillstand: Die Republikaner wollten mehr Geld fürs Militär, die Demokraten wollten verhindern, dass die sogenannten Dreamers abgeschoben werden – Einwanderer, die illegal in die USA kamen, als sie noch Kinder waren.
Was als Nächstes passiert: Die Übergangslösung gilt nur für zwei Wochen, bis zum 8. Februar. Dann müssen sich die Parteien erneut zusammenraufen. Die Demokraten erwarten, dass die Frage der Dreamers bis dahin in ihrem Sinne geklärt ist. Ansonsten können die Einwandererinnen ab dem 5. März abgeschoben werden.
Türkei greift syrische Kurden an
Darum gehts: Am vergangenen Samstag ist das türkische Militär in den Norden Syriens einmarschiert, um die kurdische Miliz YPG zu zerschlagen. Zugleich wolle man mit der «Operation Olivenzweig» auch den Islamischen Staat (Daesh) treffen. Inzwischen hat die Türkei angekündigt, die Offensive auszuweiten, zunächst auf die nordsyrische Region um Manbidsch.
Warum das wichtig ist: Unter anderem rückten die türkischen Streitkräfte mit Leopard-2-Panzern vor; in Deutschland entbrannte daraufhin eine Debatte über künftige Waffenlieferungen an den türkischen Machthaber Erdogan. Noch immer ist die YPG eine Verbündete des Westens im Kampf gegen Daesh. Zudem wird die Region um Manbidsch – mit Unterstützung der USA – von den Syrischen Demokratischen Streitkräften (SDF) kontrolliert, einer gemässigten Fraktion im syrischen Bürgerkrieg. In der Stadt selbst unterhalten die USA sogar einen Stützpunkt, auf dem Spezialkräfte kurdische Soldaten trainieren.
Was als Nächstes passiert: Sollte die Türkei Manbidsch tatsächlich angreifen, ist nicht auszuschliessen, dass türkische und amerikanische Streitkräfte aufeinander schiessen. Das Pentagon teilte am Dienstag mit, die YPG weiter unterstützen zu wollen. Die Spannungen zwischen Ankara und Washington – deren Beziehungen sowieso knapp über dem Gefrierpunkt liegen – dürften sich weiter verschärfen.
SPD beschliesst Koalitionsverhandlungen mit der CDU
Darum gehts: Erst scheiterte Jamaika – eine Regierung aus CDU, FDP und Grünen. Dann wollte die SPD nicht mit der CDU koalieren. Und jetzt will sie doch: Auf einem Sonderparteitag am vergangenen Sonntag beschlossen die SPD-Delegierten mit einer knappen Mehrheit von 56 Prozent, mit der CDU über eine «Grosse Koalition» (GroKo) verhandeln zu wollen.
Warum das wichtig ist: Die Kehrtwende der SPD in Sachen Koalition mit der CDU sorgt bei ihrer Wählerschaft für Unmut. Die Beliebtheit der Partei sinkt: Eine neue Umfrage sieht die SPD bei 18 Prozent der Stimmen, die AfD liegt bei 14 Prozent. Politbeobachter fürchten, die Neuauflage der Koalition aus CDU und SPD könnte den Rechten in Deutschland weiter Auftrieb geben.
Was als Nächstes passiert: Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Koalitionsverhandlungen bis zum 12. Februar abgeschlossen haben. Dann wird die SPD-Basis abstimmen – und den Vertrag womöglich ablehnen. Die Jungsozialisten fahren eine Kampagne gegen die Grosse Koalition, und wenn dann auch noch die Umfragewerte weiter sinken, könnten viele in der SPD Merkel die rote Karte zeigen. Dann gäbe es wohl Neuwahlen in Deutschland.
Warnstreik bei der Nachrichtenagentur SDA
Darum gehts: Bei der SDA steht ein grosser Abbau bevor. 40 von 150 Stellen sollen bei der einzig verbliebenen Schweizer Nachrichtenagentur wegfallen – und zwar schon bis Ende Monat, wie die Geschäftsleitung am 8. Januar ankündigte. Um dagegen zu protestieren, legte die Redaktion am Dienstagnachmittag einen Warnstreik ein. Hinter dem Spardruck auf die SDA stecken die Schweizer Verlage. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, drohten zunächst die NZZ-Gruppe und die AZ-Medien damit, eine Konkurrenzagentur zu gründen, sollte die SDA ihre Preise nicht senken. Später schlossen sich auch Tamedia und weitere Medienhäuser der Erpressung an. Im Herbst 2017 gab die SDA dem Druck der Verlage nach und gewährte allen Kunden einen Rabatt von zehn Prozent. Der entstandene Einnahmeausfall sei hauptsächlich für die schlechte finanzielle Situation der Nachrichtenagentur verantwortlich, wie die SDA-Mitarbeitenden in einem offenen Brief an den Bundesrat schreiben.
Warum das wichtig ist: Die Schweizerische Depeschenagentur ist so etwas wie das Fundament des Schweizer Nachrichtenjournalismus. Die SDA-Journalistinnen verfolgen alle Parlamentsdebatten in Bern, besuchen die wichtigen Medienkonferenzen, haben Korrespondenten in Brüssel und vielen Städten in der Schweiz. Die SDA berichtet, wo kleinere bis ganz grosse Zeitungen kein eigenes Personal einsetzen können oder wollen. Sieben Tage die Woche, auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Die SDA wurde vor bald 125 Jahren von den Schweizer Verlegern als gemeinsames Selbsthilfeprojekt gegründet. Man wollte von den ausländischen Agenturen unabhängig sein. Das Problem: Die Besitzer geschäften mit sich selbst. Im Verwaltungsrat der SDA sitzen die Verleger, die selber Kunden der SDA sind. Jetzt lagern sie den Spardruck bei ihren eigenen Medientiteln nicht einfach nur an die SDA aus, sondern holen aus der Nachrichtenagentur auch noch heraus, was zu holen ist: Die SDA ist zuerst mit der Fotoagentur Keystone fusioniert worden, dann wurde als grösste Aktionärin die österreichische Presseagentur APA an Bord geholt, die hohe Dividenden erwartet. Gleichzeitig verscherbelten die Verlage Immobilien der SDA, was Millionenbeträge in ihre Kassen spülte.
Was als Nächstes passiert: Die Kürzungen haben die Mitarbeiterinnen und Kunden verunsichert. Der Druck auf die Geschäftsleitung ist gross. Auf der Kampagnen-Plattform campax.org wurde eine Petition gestartet, die den Bundesrat dazu bewegen soll, die SDA zu retten. Die Bundesverwaltung, eine der grössten Kundinnen der Agentur, will wissen, ob die vereinbarten Leistungen weiter erbracht werden, andernfalls werde man seine Zahlungen kürzen. Derzeit erhält die SDA jährlich rund 2,7 Millionen Franken vom Bund. Vergangenen Oktober hat die Regierung entschieden, die SDA ab 2019 mit weiteren zwei Millionen Franken aus dem Topf der Radio- und Fernsehgebühren zu finanzieren – vorausgesetzt, die No-Billag-Initiative werde abgelehnt. Jetzt steht dieser Finanzierungszusage noch eine weitere Hürde im Weg: Wollen sich die Besitzer der SDA wie angekündigt ab 2021 Dividenden auszahlen lassen, kommt eine Subventionierung kaum infrage.
EU-Kommission stellt Urheberrecht über Privatsphäre
Darum gehts: Die EU-Kommission will grosse Online-Plattformen in naher Zukunft dazu zwingen, Upload-Filter einzusetzen. Sobald Nutzerinnen Filme, Musikstücke, vielleicht sogar Texte hochladen, sollen die automatisch gescannt, mit Datenbanken abgeglichen und auf Urheberrechtsverletzungen geprüft werden. Die Piratenpartei hat fraktionsübergreifend dazu aufgerufen, den Vorstoss der EU-Kommission zu verhindern.
Warum das wichtig ist: Kritikerinnen nennen die geplanten Upload-Filter «Zensurmaschinen». Hinter den Filtern stecken Algorithmen, die binnen Millisekunden komplexe Entscheidungen über Legalität und Illegalität von Inhalten treffen. Entscheidungen, die selbst Richtern keineswegs leichtfallen. Bürgerrechtler sprechen von einer «Totalüberwachung», da die Plattformen am Ende jeden Upload überprüfen und möglicherweise zensieren würden. Der Europäische Gerichtshof hat bereits 2012 entschieden, dass solche automatischen Upload-Filter gegen das Recht auf Privatsphäre und die Informationsfreiheit verstossen.
Was als Nächstes passiert: Aktuell liegt der Ball beim Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments. Er wird im Frühjahr entscheiden, ob er dem Vorstoss der EU-Kommission folgen will.
Und zum Schluss: Kamele (nur kurz)
Im nationalen Kamel-Schönheitswettbewerb in Saudi-Arabien wurden diese Woche 12 Kamele disqualifiziert, als bekannt wurde, dass diese mit Botox-Spritzen künstlich verschönert worden waren. Als Schönheitsattribute bei Kamelen gelten übrigens filigrane Ohren und grosse Nasen.
Und jetzt sind Sie dran!
An dieser Stelle lesen Sie ab sofort wöchentlich unser neues Format «Was diese Woche wichtig war». Ziel: eine kompakte Übersicht zu den Themen, bei denen in dieser Woche Entscheidendes passiert ist – als Service für Sie. Wir wollen dieses Format auf Ihre Bedürfnisse hin entwickeln. Deshalb bitten wir Sie um Ihre Meinung: Wie gefällt Ihnen das Format? Was gefällt Ihnen nicht? Wie können wir dieses Format für Sie möglichst nützlich weiterentwickeln? Ihre Kritik und Ihre Anregungen interessieren uns: «Lassen Sie uns reden!»